Kälber im Alter von bis zu einem halben Jahr brauchen durch die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung bald eine weiche oder elastisch verformbare Liegefläche.
Viele Kälbermäster und Fresseraufzüchter haben Bongossi-Spalten. Diese würden nach den neuen Vorgaben allein nicht ausreichen. (Bildquelle: Heil)
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Während der Beschluss des Bundesrates vom 3. Juli 2020 zurÄnderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung unter Sauenhaltern schon im Vorfeld große Wellen geschlagen hat, war es unter Rinderhaltern relativ ruhig. Und das, obwohl auch für diese eine einschneidende Veränderung im Raum steht:
Die Liegeflächen von Kälbern (Rinder im Alter von bis zu sechs Monaten) müssen „weich oder elastisch verformbar“ sein. Die bisherige Fassung der Haltungsverordnung sah lediglich „trockene“ Liegeflächen vor.
Als weich oder elastisch verformbar gelten z. B. nachgiebige Gummibodenbeläge oder weiche Einstreu. Reine Beton- und Bongossi-Spalten sind für Kälber dann verboten. Wie groß der Anteil der Liegefläche an der gesamten Grundfläche pro Kalb sein muss, macht der Beschluss nicht deutlich. Vorgesehen ist bisher eine Übergangsfrist von drei Jahren ab Inkrafttreten der Verordnung. Das könnte nach Schätzungen Ende 2020 der Fall sein. Auf Antrag soll eine Härtefallklausel die Benutzung bestehender Anlagen auf sechs Jahre verlängern können.
Wir haben uns umgehört, wie Rinderhalter und Vertreter des Berufsstandes zu den Vorgaben stehen:
Die deutschen Kälbermäster stehen weicheren Spaltenbodenbelägen laut Theresa Averbeck vom BDK schon länger offen gegenüber. Mit einer Selbstverpflichtung haben sich alle Verbandsmitglieder geeinigt, bei Neu- und Umbauten an den Spalten nur weich-elastische Böden zu nutzen.
Zusätzlich zur knappen Übergangsfrist ist besonders die Wettbewerbsverzerrung ein Problem. „Nutznießer dieser Politik sind nieder ländische Kalbfleischvermarkter, die Kälber aus ganz Europa in die Niederlande einführen und dort mästen und verarbeiten“, erklärt die Verbandsvertreterin. Die Niederlande schlachteten 2018 rund 1,47 Mio., Deutschland 320.000 Kälber. Lediglich 50 % des in Deutschland verzehrten Kalbfleisches stammt von hier. Der Rest kommt in der Regel aus den Niederlanden, wo die Haltungsvorgaben bisher noch lockerer seien.
Jörg Zuber aus Köditz (Bayern) zieht auf 1 .300 Plätzen auf Bongossi-Spalten Fresser auf. „In Bayern sind bei Fresseraufzüchtern auch Betonspalten nicht unüblich“, sagt der Landwirt. Bis jetzt bemängelten die Behörden die Böden auf seinem Betrieb nicht.
In den vergangenen Jahren hat er auf einem kleinen Teil der Plätze dennoch gummierte Böden ausprobiert. „Mir ist es wichtig, dass die Kälber trotz weichem Untergrund sauber bleiben“, so der Landwirt. Tendenziell seien die Kälber auf Gummi schmutziger, der Boden habe aber auch Vorteile: „Es ist ruhiger im Stall. Die Kälber laufen etwas sicherer und besonders die Reinigung nach dem Ausstallen ist deutlich einfacher.“
Die neuen Vorgaben könnten aber auch den Absatz der Fresser verändern: Zuber vermarktet seine Fresser in Bayern. Sie sind dabei aktuell im Schnitt vier bis fünf Monate alt und wiegen rund 200 kg.
Das hätte wiederum Einfluss auf den benötigten Platz pro Tier und die mögliche Zahl an Umtrieben.
Für die Mastkälberhaltung ist die Diskussion um Bongossi-Spalten grundsätzlich nichts Neues. „Der gummierte Boden ist in der Kälbermast die Zukunft“, sagt Michael Beneke aus Vechta (Niedersachsen). Der Landwirt hält 3 .000 Mastkälber und verkauft wöchentlich Schlachttiere an feste Partner.
Beneke hat bisher rund 30 % seiner Plätze mit elastischen Liegeflächen ausgestattet. Pro Kälberplatz kalkuliert der Betrieb dafür je nach Bauform Kosten von 200 bis 300 € pro Kalb. Denn bei der Umrüstung reiche es nicht, die bestehenden Böden einfach mit Matten zu überziehen. „Wir müssen die ganze Unterkonstruktion und teilweise auch anliegende Installationen austauschen. So muss ich nun Spaltenböden, die noch vollständig in Ordnung sind, rausschmeißen“, so Beneke.
Die kurze Umstellungsfrist würde ihm für die Finanzierung, Planung, Lieferzeit sowie Installation kaum Raum lassen. „Ich hätte eine Staffelung fair gefunden“, sagt er. Im Abstand von mehreren Jahren hätten Betriebe sukzessive einen festgelegten Prozentsatz ihrer Plätze umstellen müssen. Das sei ein echter Kompromiss für die Landwirte und das Tierwohl.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in der top agrar 9/2020.
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